Ausbildung oder Studium? Nicht jedem fällt es leicht, diese wichtige Frage zu beantworten.

Eltern sind immer um das Wohl des Nachwuchses besorgt. Vor allem, wenn es um die (berufliche) Zukunft ihrer Kinder geht, machen sie sich viele Gedanken. Natürlich sollen sie später einmal einen Beruf ergreifen, mit dem sie finanziell gut versorgt sind, der ihnen aber auch Spaß macht. Eine erste Entscheidung, wohin der berufliche Weg führt, fällt bereits in der Sekundarstufe 1: Nach der 9. bzw. 10. Klasse dürfen die Schüler wählen, ob sie eine Ausbildung machen oder noch weiter zur Schule gehen, um stattdessen ein Studium zu beginnen.

Viele, wenn nicht sogar die meisten Eltern wünschen sich, dass ihr Nachwuchs das Abitur macht und anschließend studieren geht. Sie erhoffen sich davon die beste Grundlage für beruflichen Erfolg und Wohlstand. Der folgende Vergleich zeigt, warum ein Studium nicht zwingend der bessere Weg ist und dass eine Ausbildung einige Vorteile hat.

Karrierechancen

Was die Chancen auf eine erfolgreiche Karriere angeht, scheint ein Studium in der Regel die bessere Wahl zu sein: Die meisten Unternehmen setzen für gehobene, besser bezahlte Positionen ein abgeschlossenes Studium voraus. Dazu kommt, dass man manche Berufe nur mit einem Studienabschluss wählen kann.

Was viele Eltern unterschätzen: Auch mit einer Ausbildung hat ihr Kind gute Möglichkeiten, Karriere zu machen. Einerseits, weil es möglich ist, durch Fortbildungen, den absolvierten Ausbilderschein und den Abschluss der Prüfung zum Meister eine höhere und besser bezahlte Stelle zu bekommen. Zahlreiche Ausbildungsberufe ermöglichen den Aufstieg als Führungskraft im Handwerk oder sogar in die Selbstständigkeit, wenn jemand seinen eigenen Handwerksbetrieb gründet. Andererseits, weil sich jemand, der eine Ausbildung gemacht hat, später immer noch dazu entschließen kann, ein Studium dranzuhängen und sich damit eine höhere Qualifikation zu verschaffen.

Der Abschluss einer Ausbildung bedeutet also nicht zwangsläufig das Ende der Karriereleiter. Für viele dient eine Ausbildung als bewusster Zwischenschritt zum Studium. So kann man die Wartesemester effektiv für die berufliche Zukunft nutzen und verschafft sich mit der Ausbildung eine zusätzliche Sicherheit, falls es mit dem Studium nicht klappt. Außerdem können Studenten, die eine abgeschlossene Ausbildung haben, ihr Budget in den Semesterferien mit fachbezogenen Nebenjobs aufbessern, was ihnen zusätzliche Praxiserfahrung einbringt im Gegensatz zu den typischen Studentenjobs, die mit dem späteren Beruf nur selten zu tun haben.

Praxiserfahrung

In diesem Punkt hat eine Ausbildung die Nase vorn, denn in der Ausbildung sammelt man vom ersten Tag an Praxiserfahrung, die über die Jahre ausgebaut wird. Auszubildende eignen sich somit ein vielfältiges, praktisches Wissen an, das sich auf ganz verschiedene Fachbereiche erstreckt. Dazu gehören das Wissen über das eigentliche Handwerk, und eine ganze Reihe an sozialen Kompetenzen, die vor allem im Umgang mit Kunden unverzichtbar sind, um sie kompetent beraten zu können.

Mit einer Ausbildung erlernt man sozusagen mehrere Kompetenzen, die für den späteren Beruf wichtig sind, während sich Studenten vor allem theoretisches Fachwissen aneignen. Wer nicht ohnehin über gewisse soziale Kompetenzen verfügt, wird sich diese nicht unbedingt an der Hochschule antrainieren. Vor allem das Studium an einer Universität ist theorielastig. Praktische Erfahrungen bieten nur Praktika und entsprechende Nebenjobs.

Mögliches Gehalt

Wer studiert hat, bekommt in der Regel ein höheres Gehalt als jemand, der eine Ausbildung absolviert hat. Einfach deswegen, weil sie in Jobs einsteigen, die von vornherein besser bezahlt sind als Ausbildungsberufe. Als Auszubildender hat man zwar von Anfang an ein eigenes Gehalt, aber das ist meistens nicht besonders viel und steigert sich über die Ausbildungsjahre nur mäßig. So verdienen Hochschul-Absolventen über das gesamte Berufsleben gesehen meistens mehr, obwohl sie erst viel später in der Arbeitswelt Fuß fassen. Das gilt aber noch lange nicht für jedes Studienfach, sondern vor allem für Medizin, Jura, technische Fächer und Lehramt. Andere Studienfächer bieten für das Gehalt nicht zwingend einen Vorteil.

Doch gerade bei technischen Fächern wie Feinmechanik, Maschinenbau sowie Hoch- und Tiefbau stehen diejenigen, die eine akademische Qualifizierung vorweisen können, finanziell meist besser da als Auszubildende. Wer allerdings eine Ausbildung und eine passende Weiterbildung gemacht hat, kann in bestimmten Bereichen mit einem nahezu gleichhohen Gehalt rechnen wie ein Hochschul-Absolvent.

Die Berufsauswahl

Wie bereits angemerkt, ist für manche Berufe wie Arzt, Lehrer oder Anwalt ein abgeschlossenes Studium die Voraussetzung. Solche Berufe fallen für diejenigen, die eine Ausbildung, aber kein Studium absolviert haben, aus dem Raster. In der Hinsicht haben Studierte eine größere Palette an beruflichen Möglichkeiten. Während manche Studiengänge fachlich sehr speziell auf bestimmte Berufe zugeschnitten sind, gibt es eine Reihe an Studienfächern, die in der Hinsicht etwas flexibler und offener sind. Sie qualifizieren für verschiedene Berufe, teils sogar in sehr unterschiedlichen Branchen.

Eine Ausbildung richtet sich fast immer an einen speziellen Berufszweig und ist in diesem Sinne nicht so flexibel wie mancher Studiengang. Das kommt wiederum denjenigen zugute, die ein ganz konkretes Berufsziel vor Augen haben. In vielen Studiengängen ist es aber möglich, sich im Verlauf des Studiums auf bestimmte Fachrichtungen zu spezialisieren und damit später immer noch ein klares Berufsbild zu definieren und damit in die Arbeitswelt einzusteigen.

Eine Spezialisierung auf gewisse Themen des Ausbildungsberufs ist im Prinzip erst nach dem Ende der eigentlichen Ausbildungen und dann auch nur über Fortbildungen möglich, mit denen man die gewünschte Zusatzqualifikation erlangt.

Start ins Berufsleben

Die meisten Schüler beginnen ihre Ausbildung mit 16 Jahren – eben dann, wenn sie die Mittlere Reife in der Tasche haben. Dementsprechend starten Auszubildende deutlich früher in das Berufsleben als Studenten, die erst nach dem Abitur, frühestens nach dem Fachabitur ihr Studium beginnen können. Zu dem Zeitpunkt sind sie in der Regel zwischen 18 und 20 Jahren alt.

Gleichaltrige haben dann bereits ihre Ausbildung beendet und ihren ersten festen Job. Bis es bei Studenten soweit ist, vergehen bis zum Bachelor-Abschluss wenigstens drei Jahre, bis zum Master weitere zwei bis drei Jahre. Der Berufseinstieg erfolgt also frühestens mit Mitte 20. Je nach Studium oder angestrebten Beruf, etwa Lehrer oder Jurist, ist nach dem Master noch ein Referendariat erforderlich, das nochmals 18 Monate dauert. Vorausgesetzt, dass man direkt nach dem Studium einen Referendariatsplatz bekommt. Lehramtstudenten müssen sich nicht selten mit langen Wartezeiten plagen und steigen erst mit Ende 20 in das Berufsleben ein.

Die Jobsuche

Einen großen Vorteil haben Auszubildende, wenn es um die Jobsuche geht. Ein Großteil von ihnen wird nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung direkt vom Betrieb übernommen. Wer gute Leistungen bringt, braucht sich also keine Gedanken um die Jobsuche zu machen.

 

Genau die gestaltet sich für Hochschul-Absolventen mitunter schwierig. Das Problem ist die fehlende Praxiserfahrung. Ohne Praktika oder fachlich passende Nebenjobs, etwa als Werkstudent, oder etwas Vitamin B kann es dauern, bis man nach dem Abschluss einen Job findet. Oft müssen Studenten dann erst einmal als Praktikanten oder Volontäre arbeiten, ehe sie eine Festanstellung bekommen. Dazu kommt, dass die meisten lukrativen Jobs für Hochschul-Absolventen nur in Großstädten zu haben sind, sodass es sich nicht immer vermeiden lässt, weiter weg zu ziehen.

So fällt die Entscheidung leichter

Welcher berufliche Werdegang „besser“ für ein Kind ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, ob der Nachwuchs lieber studieren geht oder eine Ausbildung macht. Bei vielen Kindern kristallisiert sich früher oder später heraus, welchen Weg sie einschlagen wollen. Zumindest vorerst, denn Studium und Ausbildung schließen das jeweils andere nicht zwingend aus. Anderen fällt es schwer, eine Entscheidung zu treffen.

Bei der Orientierung helfen die folgenden Fragen:

  • Wie sieht der Berufswunsch aus? Je nach Berufswunsch gibt es unterschiedliche Wege, das Ziel zu erreichen. Manche Berufsvorstellungen lassen sich besser mit einer Ausbildung, andere besser mit einem Studium umsetzen.
  • Welcher Lernstil funktioniert für mein Kind am besten? Ist der Nachwuchs eher praktisch veranlagt oder fällt es ihm leicht, sich Wissen über Bücher anzueignen? Hat das Kind generell Spaß am Lernen und setzt sich gerne mit komplexen, theoretischen Sachverhalten auseinander?
  • Wo liegen die Stärken und Talente des Kindes? Welcher Bildungsweg bietet die besseren Möglichkeiten, um seinen Interessen zu folgen?
  • Wie wichtig ist die Dauer des Bildungswegs? Liegen Vorkenntnisse und Erfahrungen vor, mit denen sich die Bildungszeit verkürzen lässt?
  • Werden alle Anforderungen und Voraussetzungen für den favorisierten Studien- oder Ausbildungsgang erfüllt?

 

Sollte die Entscheidung trotzdem schwerfallen, ist zu überlegen, ob nicht vielleicht ein Duales Studium die bessere Wahl ist. Auf diesem Bildungsweg absolviert man gleichzeitig eine Ausbildung und das fachlich dazugehörige Studium und profitiert damit von den Vorteilen beider Seiten.

 

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Autorenprofil

Bernd Decker hat zunächst eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker absolviert und sich anschließend entschieden, Maschinenbau zu studieren. Heute arbeitet er als Entwicklungsingenieur und berät Kinder und Jugendliche zum Thema Ausbildung und Studium.