Das Smartphone liegt immer parat. Ohne geht gefühlt fast gar nichts. Sind wir alle süchtig nach Neuen Medien? Ist die Suchtgefahr bei Jugendlichen besonders hoch? Das Problematische ist, je früher sich eine Sucht entwickelt, umso schwieriger wird ihre Behandlung. Um es jedoch gleich zu sagen, onlinesüchtige Teenager sind kein Massenphänomen.

Symptome

Es existiert keine klare Definition für eine Onlinesucht aber es gibt Hinweise. Wie ist hoch ist die Suchtgefahr bei Schülerinnen und Schülern?

Jede Schülerin/ jeder Schüler hat Pflichten. Die wichtigste Pflicht ist die Schulpflicht. Schülerinnen und Schüler sollen pünktlich, aufnahmebereit, ausgeschlafen und mit erledigten Hausaufgaben in der Schule erscheinen. Zu einem normalen Schülerleben gehört es auch, dass man sich mal mit Freunden trifft, Sport treibt, im Haushalt hilft oder einer anderen Freizeitbeschäftigung nachgeht. Zugegeben, nicht immer klappt es, alle Schulpflichten gut zu erfüllen. Wenn Schülerinnen und Schüler oft und im erheblichen Umfang den eigentlichen Schulpflichten nicht nachgekommen sind, weil sie regelmäßig unkontrolliert viel Zeit (vier Stunden oder mehr) mit Online-Spielen, im Chat oder anderswo im Internet verbringen, kann das ein Symptom für Onlinesucht sein, das man ernst nehmen muss.

Manchmal fällt Eltern und Lehrerinnen/Lehrern oder einem selbst auf: Etwas stimmt nicht, man zieht sich zurück oder ist nicht zugänglich. Trotzdem kann man seine Online-Nutzung nicht reduzieren. Das ist besonders dann ein Problem, wenn Kinder bei Online-Abstinenz aggressiv oder mit großer Unruhe reagieren. Auch das ist ein Zeichen für eine beginnende oder ausgeprägte Onlinesucht.

Faszination Online-Spiele – Jungen

Laut einer Studie im Auftrag der DAK würde man nur 6 % der Jugendlichen als online-süchtig bezeichnen.

Sind Jungen onlinesüchtig, sind sie oft übermäßig mit Online-Spielen beschäftigt. Was ist daran so faszinierend? Faszinieren lassen wir uns vor allem von den Möglichkeiten der Belohnung und Bestrafung bei Online-Spielen. Gerade wenn man im wirklichen Leben eher etwas schüchtern ist und vielleicht nur selten zu den Gewinnern zählt, ist es umso schöner, wenn man im Online-Spiel gewinnen kann. Held sein in der Online-Welt, machtvoll etwas tun und bewirken, das macht einfach Spaß. Manchen macht es so viel Spaß, dass sie davon fast gar nicht genug bekommen können.

Manche Online-Spiele sind leider gewaltverherrlichend. Man „haut“ einfach alles weg. Die wirklich schlimmen Konsequenzen für das Opfer werden nicht deutlich. Im Gegenteil, sie führen beim Helden zum Punktezuwachs. Online-Spiele dienen aber auch dem normalen Zeitvertreib. Man kann sich in High-Score-Listen mit anderen vergleichen. Man vergisst die Zeit um sich herum.

Um das umstrittene Computerspiel Counterstrike hat sich in den letzten Jahren eine neue Sportart entwickelt, das sog. E-Sports. Es finden Weltmeisterschaften mit Preisgeld statt, Fans reisen dazu im Rahmen einer Großveranstaltung an. Ein großes Happening! Wer will Böses dabei denken.

Suchtgefahr in sozialen Netzwerken – Mädchen

Laut einer Studie der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung zeigen Mädchen an einer anderen Stelle ein Suchtverhalten. Sie sind nicht so fasziniert von Online-Spielen, sondern vor allem von der Kommunikation in Messenger-Diensten und im Chat. Dort geht es vor allem darum, viele Freunde zu haben und Likes für tolle Selfies und Aktionen zu bekommen. Der Wunsch nach Gemeinschaft und Anerkennung ist dabei zentral. Wer möchte nicht beliebt sein? 

Was ist los mit mir? – Bin ich onlinesüchtig?

Wer sein Online-Verhalten ändern will, weil für die Schularbeiten oder Freunde schon lange keine Zeit mehr ist und der Nacken jeden Tag schmerzt, sollte mit einer vertrauten Person darüber sprechen. Informationen und erste Hilfe zur Suchtgefahr in den neuen Medien bietet die Website computersuchthilfe.info. Dort kann man einen Selbsttest machen und Erfahrungsberichte von anderen betroffenen Jugendlichen lesen.

Eine anerkannte Krankheit ist Onlinesucht bisher nicht. Möglicherweise wird es bald eine werden, denn immer mehr Expertinnen und Experten beschäftigen sich mit exzessiver Online-Nutzung. Vereinzelt gibt es für Kinder und Jugendliche mit Online-Problemen stationäre Angebote, die darauf spezialisiert sind. Hinweise dazu kann der Hausarzt geben oder die Krankenkasse. So bietet die Krankenkasse DAK auf ihrer Website Informationen zu diesem Problem www.dak.de/internetsucht.

Man kann auch selbst etwas tun, indem man sich mit Gleichaltrigen gemeinsam überlegt, wie man das Problem angehen kann. Was kann man beispielweise alternativ am Wochenende zusammen machen? Gemeinsam etwas unternehmen und das Smartphone ausgeschaltet lassen, hilft ein Gefühl dafür zu bekommen, dass es auch anders geht.

Nicht süchtig werden

Vorbeugen ist besser als heilen. Das ist für die meisten Kinder und Jugendliche der beste Weg. Deshalb hilft es, wenn in der Schule, dem Ort, an dem alle Kinder erreichbar sind, schon früh eine kritische Medienkompetenz vermittelt wird. Dazu zählt auch eine kritische Reflexion über die Suchtgefahr in Online-Spielen oder sozialen Netzwerken. Damit ist keineswegs gemeint, dass Neue Medien nicht mehr benutzt werden sollen, nur eben gezielter und mit Pausen zwischendurch.

Wir sollen und wollen Neuen Medien nicht alternativlos verfallen. Manchmal vergessen wir einfach das wirkliche Leben oder unser „kleiner Kasten“ ist unser ganzes wirkliches Leben geworden. Dennoch, der echte Sonnenuntergang ist immer noch schöner als der auf dem digitalen Foto.

Kommentar: Nur eine Minderheit ist betroffen

Ja, eine gewisse Suchtgefahr geht von Neuen Medien aus, denn die „spielen“ mit unserem Belohnungszentrum im Gehirn. Dieses ist anfällig für Suchtverhalten. Die Daten, die zeigen, wie viele Jugendliche wirklich onlinesüchtig sind, schwanken. Manche kommen zu dem Schluss, dass circa 3% onlinesüchtig sind andere gehen von 6% aus. Etwas mehr als 10 % gelten als gefährdet. Junge Menschen benutzen das Smartphone, Tablet und Co. ganz intensiv in ihrer Freizeit, im Schulunterricht allerdings weniger. In der Freizeit beginnt für manche also der exzessive Medienkonsum.

Möglicherweise ändert sich das zukünftig, denn die Digitalisierung in Schulen schreitet voran. Laut Medienberichten werden beispielweise Gütersloher Grundschulen nach den Sommerferien komplett mit Tablets ausgestattet sein. Das würde bedeuten, dass hier alle Grundschulkinder lernen werden, Neue Medien fürs Lernen zu nutzen.

Obwohl das Phänomen Onlinesucht allmählich klarer wird, gibt es noch kein definiertes Krankheitsbild. Bei einem geringen Prozentsatz der Kinder ist die Online-Nutzung auffallend intensiv und nicht so ohne Weiteres zu reduzieren. Dahinter stecken dann oft andere Probleme, z. B. im sozialen Miteinander. Die „Onlinesucht“ ist dann nur ein Symptom.

Bei den meisten ist es vermutlich einfach nur eine übertriebene Nutzung. Wenn die Faszination einmal vorbei ist, regelt es sich von selbst. Das praktische Smartphone ist nicht mehr wegzudenken aus dem Alltag. Deshalb benutzt man es auch so oft. Diese häufige Nutzung darf man nicht mit Sucht verwechseln. Therapie brauchen nur die wirklich Betroffenen, diejenigen, die leiden. Wir müssen an dieser Stelle kritisch sein und bleiben. Denn gibt es zunehmend Therapie- und Beratungsangebote für onlinesüchtige Jugendliche, besteht die Gefahr, dass bei diesem unklaren Krankheitsbild eine psychische Krankheit für Jugendliche unkritisch kreiert wird. Das kann vor allem dann passieren, wenn Therapeuten und Experten nicht zur Generation Digital Natives zählen. Gibt es eine Krankheit, gibt es auch Kranke. Ein ähnliches Phänomen hatten und haben wir mit der Diagnose ADHS erlebt. Plötzlich hatten sehr viele Kinder und Jugendliche ADHS und wurden auffallend oft mit Ritalin versorgt. Daraus sollten wir lernen.

Jugendliche, die sonst positiv im Leben stehen, d. h. Freunde haben und hier und da Erfolge verbuchen können, sind nicht sehr gefährdet, von den Neuen Medien abhängig zu werden. Sie nutzen vielmehr Facebook, um ihr Teenagerleben zu organisieren, wie z.B. Treffen mit Freunden und Partyverabredungen oder Online-Lernportale, um ihren Schulstoff aufzuarbeiten. Sie bleiben über die Messaging-Dienste auch mit ihren Eltern in Verbindung. Einsame, schüchterne Kinder können eventuell eher onlinesüchtig werden, aber sie können auch leichter andere Problem bekommen wie Depressionen oder Schulprobleme.

Einsame Kinder, auf die niemand wartet, die nur wenige persönliche Anbindungen außerhalb der digitalen Welt haben, sollte es in unserem Land nicht geben.

 

Linktipps

Verschiedene Studien über Medienkonsum von Jugendlichen auf Schau Hin

https://www.schau-hin.info/service/studien.html

Informationen für Jugendliche zur möglichen Internetsucht

www.computerhilfe.info

Informationsangebot mit Selbsttest der Krankenkasse DAK

https://www.dak.de/dak/gesundheit/internetsucht-1713176.html

Broschüre zum Herunterladen für Jugendliche von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung – Computerspiele find ich toll! Wo ist das Problem?

http://www.bzga.de/infomaterialien/suchtvorbeugung/computerspiele-find-ich-toll/