In Sigrid Klausmanns Dokumentarfilm „Nicht ohne uns!“ schildern Kinder aus unterschiedlichen Ländern und Kontinenten ihr Alltagsleben am Beispiel eines typischen Tages- bzw. Wochenablaufs. Dabei kommentieren die Kinder ihre Erfahrungen, die sie bei der Erfüllung der von Erwachsenen an sie gerichteten Erwartungen sammeln. Der Film veranschaulicht Anforderungen und Probleme der Kinder bei ihrem Start in den Tag, auf dem Schulweg, in der Schule selbst sowie innerhalb der Familie. Auch ihre Sorgen und Ängste im täglichen Leben sowie ihre Berufswünsche bringen die Kinder zur Sprache, oft mit einer schonungslosen, naiven Offenheit, die die Hilflosigkeit aber auch die Empathie der Kinder offenbart. Vor allem dann, wenn sie sich innerhalb einer Erwachsenenwelt zurechtfinden müssen, die keine Rücksicht auf kindliche Bedürfnisse nimmt. Insofern ist der Titel des Films als Appell zu verstehen. Doch andererseits demonstriert der Film auch die enormen Leistungen und das Verantwortungsbewusstsein, das die Kinder aus verschiedenen sozialen Schichten in ihren jeweiligen Kulturkreisen täglich erbringen müssen – und dies kontinuierlich schaffen. Ohne sie funktioniert der Alltag ihres Mikrokosmos oft nicht, denn ihr Umfeld, meist die Familie, ist auch auf sie angewiesen.

Nicht ohne uns – ausgezeichnet mit dem Goldenen Spatz

Die Begründung der Kinderjury des Goldenen Spatz:
„Wir haben den Film vor allem ausgewählt, weil es uns gefallen hat wie aktuelle Themen angesprochen wurden. Viele Kinder redeten zum Beispiel über den Klimawandel, Krieg und Armut. Uns hat beeindruckt, dass das Wort auch mal an Kinder übergeben wurde und dass diese ehrlich und offen darüber sprachen. Es ist ein wichtiger, emotionaler Film, der sich nicht nur an Kinder richtet, sondern auch an Erwachsene. Man erfährt viel über das Schicksal verschiedener Kinder und Länder. Fast alle ähnelten sich in ihren Äußerungen über ihre Wünsche für die Zukunft. Oftmals konnte man sich in die schwierigen Situationen hineinversetzen, die einen sehr berührt haben. Wir erfuhren von Kindern, die teilweise ein kompliziertes und schweres Leben haben. Aus diesem Beitrag kann man viel lernen, denn andere Kinder auf dieser Welt haben weitaus schwierigere Lebensbedingungen als wir. Man denkt mehr darüber nach, was man macht und probiert zufrieden zu sein. Dieser Film hat sehr viel Potential dazu, etwas auf dieser Erde zu bewegen, deswegen vergeben wir den GOLDENEN SPATZ an genau diese Dokumentation.“

Kino & Curriculum

Aufgrund des Alters der im Film auftretenden Kinder eignet sich eine Vorführung innerhalb der Sekundarstufe I und hier insbesondere für die Klassenstufen 5 bis 9. In diesem Alter verfügen die Schülerinnen und Schüler bereits über zahlreiche Erfahrungen innerhalb der eigenen Familie, sowohl hinsichtlich ihrer Rechte als auch ihrer Pflichten. Auch Anforderungen, die Erwachsene außerhalb ihrer Familie an sie stellen, können Schülerinnen und Schüler dieser Altersstufen angemessen reflektieren. Erste konkrete Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft sind ebenfalls bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I anzutreffen. Auch Problembereiche in Gesellschaft und Umwelt liegen im Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler bzw. gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Aus diesen Überlegungen leiten sich folgende Themenkomplexe ab, die anhand des Films erarbeitet werden können: Familie und zu Hause, Alltags- und Lebensrhythmus: Sorgen und Ängste sowie Zukunft. Darauf aufbauend soll innerhalb des Themas Zukunft auch der Filmtitel und seine unterschiedlichen Lesarten problematisiert werden.

Zu den genannten Themenkomplexen äußern sich alle der auftretenden Kinder. Daher sind nach der Vorstellung der drei Themenbereiche Steckbriefe aller Kinder aus dem Film verfügbar. Aus diesen können die Lehrkräfte jeweils für ihre Lerngruppe geeignete Kinderschicksale wählen. Die Erzählungen und Themen der Kinder können zusätzlich über der „Kleinen Helden“-Applikation (www.199kleinehelden.org) im Unterricht weiter vertieft werden.
Der Film kann im Deutschunterricht oder in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern eingesetzt werden.

Thematische Aspekte

FAMILIE UND ZU HAUSE

Der Dokumentarfilm gibt Einblicke in das zu Hause bzw. Familienleben von Kindern aus allen Teilen der Welt, vom Leben armer Familien aus Entwicklungsländern bis hin zum Familienleben innerhalb der Mittelschicht europäischer Familien. Dabei nehmen Kinder verschiedene Rollen ein, einige übernehmen teilweise sogar die Arbeiten von Erwachsenen. Erwachsene sollen Kinder erziehen und ihre Entwicklung positiv beeinflussen, sie durch verschiedene Aufgaben zugleich fördern als auch fordern. Aber auch die Vermittlung von Empathie und Liebe beeinflusst die Entwicklung eines Kindes innerhalb einer Familie. Um die Aufgaben und Rollenverteilung von Kindern verschiedener Familien und Länder zu vergleichen, sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst innerhalb von Gruppen (maximal vier Mitglieder) von ihrer eigenen, ihnen gut bekannten Familiensituation ausgehen und diese beschreiben, indem sie ihre Familie und die unterschiedlichen Aufgaben der einzelnen Familienmitglieder anhand einer Skizze oder eines Bildes oder Fotos vorstellen. Außerdem verorten sie die eigene Familie auf einer Weltkarte, indem sie ihren Namen auf das entsprechende Land notieren. Anschließend einigt sich die Gruppe auf zwei Familien, die im Film gezeigt werden, verortet sie auf der Karte und vergleicht die jeweilige Familiensituation mit der eigenen.
Arbeitsaufträge:

  • Was ist eine gute Familie? Welche Aufgaben kommen den einzelnen Familien-mitgliedern zu? Erklärt die Zusammenhänge anhand eines Bildes oder Fotos deiner Familie!
  • Verorte deine Familie auf der Weltkarte, indem du ihren Namen auf das entsprechende Land notierst. Entscheidet euch anschließend für zwei Kinder und deren Familien aus dem Film und verortet sie ebenfalls auf der Karte!
  • Vergleicht die Beschaffenheit und Situation der ausgewählten Familien mit eurer eigenen! Welche Familien erfüllen die Aufgaben einer Familie am besten? Begründet!

ALLTAGS- UND LEBENSRHYTHMUS: SORGEN UND ÄNGSTE

Alle Kinder berichten von Schwierigkeiten, die sie im Alltag bewältigen müssen. Sie müssen sich mit Problemen wie körperlicher Beeinträchtigung, Mobbing, Fremdenfeindlichkeit, Kinderarbeit, Naturkatastrophen, Krieg oder der Bedrohung durch AIDS auseinandersetzen. Auch Schülerinnen und Schüler in Deutschland müssen in ihrem Alltag aktiv Herausforderungen annehmen und lösen, um sich weiterentwickeln zu können, wenn auch oft nicht in dem Maß, wie es die Kinder im Dokumentarfilm überwiegend leisten. Diese eigenen Erfahrungen sollen genutzt werden, um die Sorgen der im Film auftretenden Kinder zu thematisieren. Dazu sollen die Schülerinnen und Schüler sich innerhalb ihrer Arbeitsgruppe auf ein Kinderschicksal aus dem Film einigen, das sie näher untersuchen. Die einzelnen Gruppen sollen sich mit verschiedenen Kinderschicksalen beschäftigen. Zunächst sammeln sie die dazu geschilderten Einzelheiten und stellen sich dann vor, sie würden das Kind zu sich einladen und es einen oder mehrere Tage am eigenen Alltagsleben teilhaben lassen. Dazu sollen sie einen Dialog schreiben, in dem die Schüler mit ihrem Gast Gemeinsamkeiten und Unterschiede des jeweiligen Alltags und der speziellen Probleme besprechen. Dieser Dialog kann dann den anderen Gruppen vorgespielt werden, damit mehrere der im Film dargestellten Herausforderungen besprochen werden können.
Arbeitsaufträge:

  • Tragt alle Informationen zum Leben und zu den Schwierigkeiten eines Kindes aus dem Film zusammen! Gebt an, warum ihr gerade dieses Kinderschicksal ausgewählt habt!
  • Stellt euch vor, das Kind ist bei euch in eurer Familie zu Gast und nimmt an eurem Alltag teil. Formuliert einen Dialog, den ihr während eurer gemeinsamen Zeit über eure jeweiligen Alltagsprobleme mit eurem Gast führt.
  • Überlegt, ob es für diese Probleme Lösungen gibt!

ZUKUNFT

Im Film äußern die Kinder ihre Wünsche für die Zukunft, insbesondere Berufswünsche. Meist begründen sie ihre Wahl, indem sie angeben, mit ihrem anvisierten Beruf die erfahrenen Probleme lösen zu wollen. Insofern ist allen Kindern die Welt, in der sie leben, nicht gleichgültig, sie wollen sich alle für eine bessere Welt des Friedens und des verantwortungsvollen Miteinanders engagieren, was auch eine Lesart des Filmtitels „Nicht ohne uns!“ darstellt. Daher sollen die Schülerinnen und Schüler zum Thema „Zukunft“ ausgehend von den im Dokumentarfilm geäußerten Wünschen der Kinder die Bedeutung des Filmtitels erfassen und diskutieren.
Arbeitsaufträge:

  • Sammelt innerhalb eurer Arbeitsgruppe Wünsche der Kinder für ihre Zukunft bzw. für die Zukunft der Welt, in der sie leben. Erklärt euch, warum die Kinder diese Wünsche äußern! Habt ihr ähnliche Wünsche?
  • Kommentiert auch folgende Aussage eines Kindes: „Kriege kann man gar nicht vermeiden, weil es mindestens einen dummen Menschen gibt, der das alles wieder anfängt!“
  • Der Titel des Films lautet „Nicht ohne uns!“. Was ist damit gemeint? Erklärt den Zusammenhang zu den Wünschen, die ihr zuvor gesammelt habt

Filmsprache

ERZÄHLSTRUKTUR

Der Dokumentarfilm löst seinen großen Anspruch, Kinder von fünf Kontinenten zu Wort kommen zu lassen, gleich mit den ersten Bildern ein: Die erste, fantastisch fotografierte Filmminute, der Filmbeginn: Die Sonne geht auf, ein neuer Tag beginnt. Etwas melancholische, kontemplative Musik. Panoramaeinstellung: Eine weite noch nachtschwarze Ebene mit dem Schatten eines einzelnen großen Bergs unter einem großen Himmel, der oben noch nachtblau, unten aber rot aufzuflammen beginnt. Schwarzblende. Eine Dorfstraße mit kleinen armen Häusern unter einem schneebedeckten Gebirge und einem Himmel mit aufgerissener Wolkendecke, und dem Morgenlicht von rechts. Schwarzblende. Eine Flusslandschaft mit Nebel, die weiß über den Fluss ziehen. Schwarzblende. Ein Fischer steht in seinem Boot und hantiert mit dem Netz in einer kleinen Bucht an einer felsigen Küste. Schwarzblende. Eine baumlose weite Senke mit Zelten und Tiergattern im grauen Morgenlicht. Schwarzblende. Der Schattenriss eines großen Hauses, vor einem schwarzen Bergkamm, vor einem blauschwarzen Himmel. Einige Fenster sind erleuchtet. Vogelgezwitscher. Schwarzblende. Panoramaeinstellung mit schneebedeckten Berggipfeln. Zwischen zwei Gipfeln bricht die Sonne strahlend hervor. Der Tag ist da. Harter Schnitt. Ein Kind liegt unter einer sehr bunten Decke und öffnet die noch traumtrüben Augen. Die Sonne aus der vorigen Einstellung scheint ihn geweckt zu haben. Harter Schnitt. Ein Junge, vielleicht 12 Jahre alt, sitzt vor der Kamera. Wir sehen seinen Kopf und seine Brust. Eine Portrait-Einstellung. Der Junge sagt: „Ich habe keine …, nicht den blassesten Schimmer, wie ich in diese Welt – wieso ich in diese Welt hineingeboren wurde.“ Dann sind wir im Film. Die Zeitanzeige zeigt 60 Sekunden. Im Folgenden stellen die Kinder sich vor. Sagen, wo sie leben und wie und mit wem zusammen und erzählen von ihren Lebensumständen. Wir sehen ihnen zu, wie sie sich bereit machen zur Schule zu gehen. (Nur Alphonsine von der Elfenbeinküste muss erst einmal daheim bleiben und im Haushalt helfen.) Wir sehen die Kinder Abschied nehmen von zu Hause und sich auf den Weg machen, auf Eseln, auf Skiern, mit Booten und U-Bahn und Zügen. Jedes Kind individuell, jedes Kind mit seinen eigenen Umständen, jedes Kind mit seinen eigenen Sorgen und Problemen. Verbunden durch die eine Welt, in der das alles stattfindet. Und die eine Zeit, die überall die gleiche ist.
Die Kommentare der Kinder, ihre Überlegungen und Erzählungen sind Antworten auf Fragen, die Ihnen von den Filmemachern gestellt werden. Wir sehen aber weder die Fragenden noch hören wir die Fragen. Das erweckt den Eindruck, die Kinder würden frei über sich, ihre Familie, ihre Welt und ihre Sorgen und Probleme sprechen. Die Kinder scheinen sich direkt an uns Zuschauer zu wenden und machen uns auf diese Weise zu Angesprochenen und damit zu einem Teil ihrer Reflektion. Der Film strukturiert damit, sehr frei, ein Nachdenken über unsere Welt.

Fragen und Anregungen:

  • Bereits die ersten Filmminuten führen uns zu Schauplätzen auf weit voneinander entfernten Kontinenten. Oft können wir Zuschauer die Bilder nicht zuordnen. Hilfestellungen in Form von Untertiteln oder Texttafeln erhalten wir kaum. Wir wissen nicht immer, wo die Aufnahmen, die wir sehen, entstanden sind. Welche Wirkung hat diese Art der filmischen Struktur?
  • Die erste Filmminute zeigt Bilder von Orten, an denen wir später Kinder wiedertreffen, die hier wohnen. Versucht diese Bilder den Kindern zuzuordnen. Beschreibt die Landschaften, durch die die Schulwege die Kinder führen und nennt die Transportmittel, die die Kinder benutzen. Wie sind die Kinder im Verhältnis zur Landschaft fotografiert? Sind sie in Großaufnahmen zu sehen oder eher kleine Gestalten in einer weiten Landschaft? Beschreibt einige Wege genauer und in Einzelheiten.
  • Welcher Schulweg hat dich besonders beeindruckt? Schildere ihn und die Bilder und Landschaften, die der Film uns dabei zeigt.
  • Der Film zeigt, dass einige Kinder bereits arbeiten müssen. Schildert, was die Kinder in dem Film alles machen müssen und mit welchen Bildern der Film das zeigt.

Weitere Informationen und Materialien:

Webtipps

www.nichtohneuns-film.de:
Offizielle Website des Films

www.199kleinehelden.org: Offizielle Website und interaktive Webapplikation des Projekts „199 kleine Helden“.

NICHT OHNE UNS! ist Teil des langjährigen, weltumspannenden und nachhaltigen Projekts „199 kleine Helden“, das das Ziel verfolgt Kindern und Jugendlichen aus jedem Teil der Erde, aus jedem Land dieser Welt, durch Kurzfilme eine Stimme zu geben und so gegen die Angst vor dem Fremden anzugehen. Ein echtes Familien-Projekt: Sigrid Klausmann als Regisseurin, ihr Mann, Schauspieler Walter Sittler, der die Idee zu dem aufrüttelnden Projekt hatte und als Produzent – zusammen mit Produzent Gerhard Schmidt – das Projekt mit viel Herzblut begleitet. Den berührenden Titelsong hat Tochter Lea-Marie Sittler komponiert und eingesungen

Links zum Thema „Kinderrechte“

www.younicef.de: Younicef: UNICEF-Internet-Angebot für Kinder
www.unicef.de/ueber-uns/unicef-und-kinderrechte: UNICEF: Kinderrechte
www.tivi.de/fernsehen/logo/index/00130/index.html: ZDFtivi – logo!: Kinderrechte