Shoppen ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung bei Jugendlichen. Kommt ein Paket, fühlen wir uns beim Auspacken immer ein bisschen wie am Geburtstag. Alle shoppen, es macht uns irgendwie glücklich, zumindest für einen Moment. Gerade in der Vorweihnachtszeit verfallen wir manchmal regelrecht in einen Kaufrausch. Wann ist jemand kaufsüchtig? Wer über Kaufen spricht, muss über Werbung nachdenken. In der Werbung beginnt ein „ausgeklügelter Flirt“ mit Jugendlichen, die ihrerseits durch eine sensible Entwicklungsphase ihres Lebens gehen.

Kaufsucht – Was ist das?

Sind kauffreudige Jugendliche kaufsüchtig? Wann ist jemand krankhaft kaufsüchtig oder gefährdet kaufsüchtig zu werden?

Wer sehr viel konsumiert, kann kaufsüchtig werden. Wohlbemerkt, man kann süchtig werden. Ob jemand tatsächlich kaufsüchtig ist, ist nicht eindeutig mit einer Blutuntersuchung zu diagnostizieren.

Anzeichen für eine Kaufsucht bei Jugendlichen liegen dann vor, wenn ein Jugendlicher viele Dinge, die er nicht braucht, wiederholt und in Massen kauft. Kaufen passiert dann zwanghaft und wird zur Gewohnheit. Man kann das Kaufen trotz vieler persönlicher Nachteile, die durch dieses Verhalten entstehen, nicht mehr kontrollieren. Das private, schulische oder berufliche Leben stimmt nicht mehr. Vielleicht stehlen Jugendliche Geld aus dem Portemonnaie der Eltern, beklauen Freunde, um etwas kaufen zu können.

Die Verbraucherorganisation, „Arbeiterkammer Wien“,  veröffentlichte 2011 ein Untersuchungsergebnis zur Kaufsucht der österreichischen Bevölkerung. In der Studie fand man heraus, dass insbesondere junge Frauen aus der Altersgruppe 14 – 24 Jahren am stärksten kaufsuchtgefährdet seien.

Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Österreich auf die BRD mag nicht hundertprozentig möglich sein. Spricht man von „Jugendlichen“ im Zusammenhang mit Konsum, umfasst das nicht nur Minderjährige, sondern - wie in dieser Studie auch - oft junge Erwachsene bis 24 Jahre.

Das Thema Kaufsucht ist aber dennoch länderübergreifend bedeutend. Die Bedeutung liegt vor allem darin, vorbeugend tätig zu werden. Meistens beginnt eine Kaufsucht schleichend mit Frustkäufen und problematischen Lebenslagen. Onlinehandel, Kreditvergabe an junge Menschen, die erst gerade volljährig sind, sowie neue Bezahlverfahren stehen ebenfalls im Verdacht, einen Kontrollverlust beim Kaufen zu befördern.

Wie Werbung uns beeinflusst?

Viele junge Menschen verbringen täglich viele Stunden im Internet. Es gibt nur wenige andere Orte, an denen wir so sehr mit Werbung konfrontiert sind wie im Internet. Influencer/-innen beschwatzen uns, während sie gut gelaunt Pakete auspacken.

Werbung kommt mal pompös und aufdringlich daher. Manchmal blinkt sie für eine Minisekunde auf. Auch diese subtile Form nehmen wir wahr, aber nur unbewusst.  Unser Surfverhalten wird genau verfolgt, damit wir gezielt beworben werden können.

Was Information und was Werbung ist, soll zwar deutlich gekennzeichnet sein, wird es aber nicht immer. Viele Apps für Kinder enthalten Werbe-Tracker. Profis aus den Marketing- und Werbeabteilungen beschäftigen sich also täglich damit wie sie uns zum Kaufen bewegen können. Auch wenn Kinder und Jugendliche erstaunlich gut über Werbung informiert zu sein scheinen, bleibt Werbung nicht ohne Effekt auf unser Kauf- und Konsumverhalten. Methoden, die der Jugendschutz nicht zulässt, werden immer wieder angewendet. Das zeigt ein Gutachten der Hochschule der Medien (HdM), das die KJM in Auftrag gegeben hat.

Eine zentrale Botschaft von Werbung ist: Kauf etwas, um ein Problem zu lösen, ein Bedürfnis zu befriedigen oder einfach nur so, um Spaß zu haben.

Probleme von Jugendlichen - Shopping von Markenkleidung, Smartphone und Co.

Was sind das für Probleme bei Jugendlichen, die möglicherweise ein gesteigertes Kaufverhalten bis hin zu kaufsüchtigen Verhalten zur Folge haben können.

Ein Beispiel! Teenager und junge Erwachsene, insbesondere Mädchen und junge Frauen fühlen sich selbst oft nicht optimal. Sie nehmen sich als nicht schön, liebenswert, beliebt genug oder zu dick wahr. Junge Männer fühlen sich manchmal unbedeutend, wenig heldenhaft und nicht attraktiv genug für die wirklich tollen Mädchen.

Die Werbewelt greift dieses unsichere Gefühl bei vielen Heranwachsenden auf, verursacht und forciert es sogar. Werbung propagiert unerreichbare Ideale, um all die neuen Produkte zu verkaufen.

Das neue Smartphone, die neue Markenklamotte, die neue Diätschokolade machen schön, sexy, beliebt, gesund und begehrenswert. Mit dem Erwerb können wir so sein wie wir sein möchten. So die oft trügerische Werbebotschaft. Die neue Markenjeans verschafft uns Zugang zu der Gruppe, zu der wir gehören wollen. Mit Markenkleidung kommunizieren wir in die Welt hinein.

Die Zeitspannen, in denen neue Produkte an die Jugendlichen gebracht werden sollen, werden immer kürzer. Wir reparieren nur noch selten.

Nur wer immer alles hat, kann mithalten und ist konkurrenzfähig. Heute noch „in“, morgen schon „out“.  Das ist übertrieben formuliert, macht die Problematik aber deutlich.

Kaum sind Jugendliche 18 Jahre alt geworden, können sie zudem leicht Kredite bekommen, mit denen sie zunächst einmal über Geld für Konsum verfügen.

Tipps gegen Frust- und Spontankäufe

Die Mechanismen der Werbung verstehen, sowie frühzeitig den Umgang mit Geld lernen, ist wichtig, um nicht zu viel, unkontrolliert und zwanghaft zu kaufen.

Auch wenn wir Geld haben, macht es immer Sinn, dieses Geld möglichst selten bei unüberlegten, sinnlosen Käufen zu verplempern.

Wie kann man Spontan- und Frustkäufe, über die wir uns später ärgern, verhindern oder reduzieren?

Der gute alte Wunschzettel hilft, materielle Wünsche zu sammeln. Werden wir mit Werbung oder Sonderangeboten „bombadiert“, hilft es auf den Wunschzettel zu schauen, um nicht die Orientierung zu verlieren.

Schenken Eltern oder Großeltern Geld zu einer besonderen Gelegenheit, ist Bargeld günstiger, damit Jugendliche ein Gefühl dafür bekommen, was und dass Einkaufen wirklich etwas kostet.

Teenager und Heranwachsende reagieren auf Probleme wie Liebeskummer, Langeweile, Schulstress oder Ärger in der Ausbildung oft sehr emotional und manchmal unangemessen.

Einkaufen, um Frust und Traurigkeit los zu werden, hilft leider nicht.

Was kann man stattdessen tun?

Alternativen zum Frustkauf könnten sein:

  • Gespräch mit Freunden, Eltern oder Großeltern
  • Sport an frischer Luft
  • Musik hören
  • Geld vielleicht für Nachhilfeunterricht ausgeben bei Schulproblemen und nicht für Markenklamotten
  • Sich selbst so akzeptieren und lieben wie man ist.
  • Sich selbst aufbauen, in dem man an die eigenen Stärken denkt.
  • Nicht nach einem Frust einkaufen, sondern dann, wenn man eine persönliche Herausforderung gemeistert hat.

Kommentar: - Nicht nur über Geld definieren

Wie häufig kommt Kaufsucht bei Jugendlichen vor? So ganz genau wissen wir es nicht, vermutlich eher selten bei Minderjährigen. Kinder und sehr kauffreudige Jugendliche üben aber Druck auf ihre Eltern aus mit Kaufwünschen. Konflikte sind vorprogrammiert, die das Verhältnis belasten. Als eigenständige psychiatrische Erkrankung wird Kaufsucht nicht gesehen bisher. Manchmal geht zwanghaftes Kaufverhalten einher mit Depressionen und Ängsten. Kinder und Jugendliche sind davon heute leider stärker betroffen als früher.

Früh kann vermutlich bereits ein Boden bereitet werden, für eine spätere Kaufsucht. Eltern von sehr kauffreudigen oder „kaufsüchtigen“ Jugendlichen können manchmal ihrerseits selbst nicht gut mit Geld umgehen. Sie definieren sich über Geld, besser über Geld, das sie nicht haben. Sie beklagen: „Das können wir uns nicht leisten.“ Hören Kinder diesen Satz oft, muss fehlendes Geld als Ursache für alle möglichen Probleme herhalten. Fehlendes Geld ist jedoch nicht für jedes Problem von Jugendlichen verantwortlich.

Unsere gigantische Konsumwelt fordert uns immer öfter heraus zu widerstehen.

Bei Jugendlichen gibt es aber schon jetzt deutliche Gegentrends. Markenkleidung und Vieles mehr mit Freundinnen und Freunden zu „teilen“ und eben nicht zu kaufen, ist stark im Kommen. Upcycling sowie Reparieren kombiniert mit einer Präsentation in Sozialen Medien ist ebenfalls ein Trend bei jungen Menschen. Vermutlich haben Jugendliche und junge Erwachsene sich selbst bereits Auswege aus einer überbordenden Konsumwelt gesucht, um seelisch gesund zu bleiben und trotzdem Spaß an Neuem zu haben. Aber auch wer „teilen“ möchte, muss vorher überhaupt erst einmal etwas haben, das dafür in Frage kommt.


Buchtipps:

Taubert G. Im Club der Zeitmillionäre: Wie ich mich auf die Suche nach einem anderen Reichtum machte Eichborn 2. Auflage 2016

Förster J. Was das Haben mit dem Sein macht. Die Psychologie von Konsum und Verzicht Droemer Verlag 2017


Linktipps:

Auffälligem Kaufverhalten liegen oft andere Probleme zugrunde. Eine erste Möglichkeit für Kinder, Jugendliche und Eltern sich Hilfe zu suchen, bietet das Sorgentelefon „Nummer gegen Kummer“.

 

Ausführliches wissenschaftsorientiertes Interview im Radiosender WDR 5 mit dem Psychologen Peter Trotzke in der Sendung „Neugier genügt“ zum Thema Kaufsucht. Zum Interview

 

Bildquelle:

StockSnap @ pixabay