Viele Eltern sind genervt von der Situation. Neben Homeoffice sollen sie auch noch Homeschooling betreiben. kapiert.de-Projektleiter Stephan Kyas war zusammen mit Lehrer/-trainer Florian Nuxoll und Rolf Kosakowski, Leiter einer Agentur für Kinder- und Familienmarketing, zu Gast bei der ersten großen "Leben & erziehen"-Webkonferenz mit Chefredakteurin Claudia Weingärtner. Gemeinsam haben sie auf die letzten Monate geschaut und einen Blick in die Zukunft gewagt: Wie kann das Modell Schule demnächst funktionieren? Welchen Beitrag können digitale Medien dafür leisten?

"Zusammen Schritt für Schritt vorangehen"

Zu Beginn der Homeschooling-Zeit herrschte an vielen Schulen großes Chaos. Das sei auch völlig klar, sagt Lehrer Florian Nuxoll. Schließlich mussten die Lehrkräfte erst einmal improvisieren und ausprobieren, wie ihre Schülerinnen und Schüler zuhause am besten mit Aufgaben versorgt werden können und wie Online-Unterricht möglichst gut durchgeführt werden kann. Die große Herausforderung dabei: wirklich alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen und nicht nur die motivierten, die eine hohe Selbstkontrolle haben.

Einheitliche Tools

Es gibt reichlich Tools, um die Schülerinnen und Schüler mit Aufgaben zu versorgen. Das führte vor allem anfangs dazu, dass in vielen Haushalten viele verschiedene Tools genutzt werden mussten. Lehrkräfte sollten sich deshalb absprechen, welche Tools sie benutzen, damit zumindest innerhalb einer Klasse dieselben Tools genutzt werden. Optimal wäre es auch, wenn es später dann auch auf Schulebene und irgendwann sogar auf Gemeindeebene einheitlich wäre. Ein zweiter Schritt müsse von der Politik kommen: Ein allgemeiner Bildungslogin würde Sinn machen und könne auch lästige Datenschutzprobleme lösen, so Florian Nuxoll.

Ein weiterer Schritt könnte sein, dass sich die Politik überlegen muss, ob man langfristig jeder Schülerin und jedem Schüler ein Endgerät zur Verfügung stellen kann, damit gesichert ist, dass wirklich alle Kinder optimal die Aufgaben bearbeiten können. Bis dahin sei es aber so, dass fast alle Schülerinnen und Schüler oder Eltern heutzutage ein Smartphone haben. Florian Nuxoll berichtet, dass die Lehrkräfte deshalb darauf achten würden, Online-Angebote so anzubieten, dass sie auch mit einem Smartphone möglich seien.

Lernen mit Audios

Viele Schülerinnen und Schüler suchen im Internet nach Erklärvideos, wenn sie ein Thema nicht verstehen. Aber auch Podcast werden in der Freizeit immer beliebter, wieso also nicht Audios auch in digitale Schulkonzepte integrieren? Audios sind leichter zu produzieren als Videos und können die Kreativität der Kinder ankurbeln, so Rolf Kosakowski. Denn beim Hören von Audios können die Kinder gedanklich reisen und das bereite gleich mehr Freude. Außerdem seien Audios entlastend für die Eltern, weil sie nicht alles vorlesen und erklären müssen.

"Eltern sollen nicht in die Rolle des Hilfslehrers kommen"

Florian Nuxoll betont, dass mit aller Kraft versucht werden muss, nicht zu viele Frustrationserlebnisse entstehen zu lassen, denn das kann auch zu Lernblockaden führen. Im Zweifelsfall hilft es, zu priorisieren, die Hauptfächer (Mathe, Deutsch, Fremdsprachen) vorzuziehen und jetzt den Stoff zu lernen, auf dem im nächsten Jahr aufgebaut wird. Nebenfächer sind natürlich auch wichtig, aber da sei es nicht ganz so schlimm, mal ein Thema etwas unter den Tisch fallen zu lassen. Lehrkräfte sollten auch darauf achten, dass die Eltern nicht in die Rolle des Hilfslehrers kommen, denn damit würde man viele Eltern überfordern.

Eine gute Unterstützungsmöglichkeit bieten digitale Angebote von Verlagen. Diese sind qualitätsgesichert und an die Lehrpläne angepasst. In Lernsystemen sind die Aufgaben strukturiert mit einem Lernmanagementsystem verbunden. Lehrkräfte können die Aufgaben an ihre Schülerinnen und Schüler geben, sehen was die Schülerinnen und Schüler falsch machen und wie sie arbeiten. Das kann auch für den regulären Schulbetrieb einen großen Nutzen darstellen.

"Wünschenswert wäre eine Art Blended Learning"

Stephan Kyas sieht als pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien eine Art von Blended Learning. Das heißt, es gibt eine Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht. Präsenzphasen seien sehr wichtig, denn die meisten Schülerinnen und Schüler können sich nicht vollständig neue Inhalte selbst erarbeiten. Was digitale Produkte dann leisten können ist im Anschluss an solche Präsenzphasen das Einüben und Vertiefen - und das auch noch individuell.

Individualisiertes Lernen

Digitale Produkte bieten sogar in zweierlei Hinsicht Individualität: zum einen auf das Material bezogen, sodass schwächere Schülerinnen und Schüler weniger bekommen als bessere, und zum anderen aber auch niveaudifferenziert zu den jeweiligen Kompetenzen. Dadurch arbeiten alle am selben Thema, aber jeder auf seinem Niveau und in seinem Umfang.

Verbindung von offline und online

Nach dieser digitalen Phase, dieser Selbstlernphase, kommt man dann wieder in der Klasse zusammen und stellt Anschlussfähigkeiten her. Zum Beispiel wird aus einer Grammatikübung im Unterricht dann eine Sprachübung. Im Optimalfall stehen das traditionelle Lernen im Klassenverband und das digitale Lernen also nicht nebeneinander, sondern sie verzahnen und verbinden sich miteinander.

Entlastung durch Online-Angebote

Das Ziel der Tools, so Stephan Kyas, diene der Entlastung der Lehrkräfte: es ist eine Entlastung bei der Materialsuche, von der Niveaudifferenzierung und der Korrekturarbeit. Auch für die Eltern biete es eine Entlastung. Die Kinder üben sich im Selbst-Lernen, in der Organisation des eigenen Lernens sowie in ihrem Zeitmanagement.