Digitalisiertes Lernen war bis Anfang 2020 in Deutschland eher ein Fremdwort. Die Coronapandemie zeigte dieses Defizit gnadenlos auf. Nun gilt es Defizite zu erkennen und die Chancen eines digitalen Lernens zu erkennen.

 

Deutschland ist Schlusslicht

In einer internationalen Umfrage in sieben entwickelten Ländern trat zutage, dass in keinem Land der Wechsel zu Online-Unterricht gut gelang. Am schlechtesten schnitt Deutschland ab, wo nur zehn Prozent der Schüler einen guten Start in den Fernunterricht erwischten. Am besten gelang die nach der Studie des Technologieunternehmens Citrix Singapur. Allerdings war auch im Stadtstaat die Quote mit 30 Prozent sehr niedrig.

Besonders stark kritisierten Eltern die mangelnde Fortbildung der Lehrer auf dem Gebiet des Fernunterrichts und eine bessere Organisation. Digitalisierung der Schule bedeutet aber noch viel mehr als Fernunterricht. Nur 33 Prozent der deutschen Schüler haben nach einer PISA-Studie der OECD Zugang zu einer Online-Lernplattform. Der Durchschnitt liegt bei 54 Prozent, Singapur und Dänemark liegen mit über 90 Prozent ganz vorn.

 

Hybrides Lernen gibt es schon

Während in Deutschland noch um die digitale Ausstattung der Schulen gerungen wird, gibt es schon Konzepte für hybrides Lernen. „Blending Learning“ verbindet den klassischen Präsenzunterricht in der Schule mit digitalen Angeboten von Online-Medien. Dabei gibt es verschiedene Lösungsansätze. Gehen wir mal davon aus, dass Deutschland alle technischen Voraussetzungen geschafften und die Lehrkräfte entsprechend geschult hat. Dann könnten beispielsweise Webinare den Unterricht in der Schule ergänzen.

Möglich wird dies über Lernplattformen oder Videokonferenztools. Hier ergeben sich völlig neue Unterrichtsmöglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre der Projektunterricht, bei dem in kleineren Gruppen Lehrinhalte vermittelt werden. In der Schule werden zunächst Aufgaben gestellt, welche die Schüler zu Hause ausarbeiten und sachbezogen im Internet recherchieren. In der Schule werten die Schüler mit dem Lehrer die Erkenntnis aus und klären Fragen. Der Lernfortschritt wird regelmäßig in Leistungstests dokumentiert.

Dadurch würde der Lehrer sehen, welche Schüler intensiveren Präsenzunterricht benötigen, um das Lernziel zu erreichen. So wäre der Lehrer für die Schüler da, die eine intensivere Beschäftigung mit einem Thema benötigen. Andere Schüler könnten mit Projektarbeit das Thema selbstständig vertiefen. Mit Präsentationen könnten sie dann ihre Erkenntnisse vorstellen und so wieder einen gemeinsamen Wissensstand herstellen.

Für den Erfolg eines solchen Lernmodells müssen alle Prozesse in einem allgemeingültigen Lehrplan enthalten sein. Ein Projekt startet mit einer Vorbereitungsphase, dem der eigentliche Start folgt. Diesen führt der Lehrer im Präsenzunterricht durch. Er gibt wichtige Inputs durch Vorträge, Texte und digitale Inhalte wie Videos. Danach folgen die Online-Projekttage in denen Lehrkräfte und Schüler über Lernplattformen oder Videokonferenzräume kommunizieren. Präsenz-Workshops ergänzen diese Interaktion und sichern, dass die Projektarbeit nicht vom Ziel abweicht. Am Ende folgt die Präsentation, die sowohl online als auch in der Schule stattfinden kann.

 

Vorteile hybriden Unterrichts

Eine Kombination aus Unterricht in der Schule und dem Lernen mit Inhalten aus dem Internet hat viele Vorzüge:

  • Erlernen des Umgangs mit digitalen Medien und elektronischen Geräten
  • Schüler übernehmen mehr Verantwortung für das Lerngeschehen
  • Inklusion aller Lernenden in das Lerngeschehen
  • körperliche, geistige und soziale Aspekte treten in den Hintergrund



Voraussetzung ist natürlich, dass alle Schüler einen Zugang zu schnellem Internet und den nötigen Endgeräten haben. In dieser Beziehung bleibt Deutschland leider ein Entwicklungsland. Hinzu kommt die Angst von Lehrern, die Kontrolle über den Unterrichtsinhalt zu verlieren. Dies ist völlig unbegründet, wenn ein hybrider Unterricht gut strukturiert wird.

Wie bei der Online-Nachhilfe besteht die Wissensvermittlung aus drei Teilen. Zunächst geht es um die Basics. Der Start eines Projekts ist deshalb in der Schule. Hier werden durch den Lehrer die Grundlagen gelegt und das Ziel des Projekts fixiert. Durch die Online-Konferenzen und Präsenz-Workshops erkennen die Pädagogen, ob sie eventuell eingreifen und die Zielstellung nachjustieren müssen. Am Ende steht die Präsentation, die zeigt, ob das Lernziel erreicht wurde. Sie ist gewissermaßen der abschließende Leistungstest.

 

Der Erfolg ist von Schule und Lehrenden abhängig

Das größte Hindernis für ein digitales Lernen ist die Schwerfälligkeit aller Beteiligten, die Grundlagen zu schaffen. Sie müssen bereit sein, alte, bewährte Pfade zu verlassen. Die entsprechende Technik gibt es schon lange, nur nicht überall. So sind Konferenzräume keine Idee aus der Science Fiction. Auch die passenden Endgeräte, also Smartphone, Tablets und Laptops, sind keine neuen Erfindungen. Problem: Nicht alle Schüler haben Zugang zu diesen wichtigen Unterrichtsmitteln der Zukunft.

Die Netzwerke der Schulen sind häufig nicht auf den Zugriff mehrerer hundert Schüler ausgelegt. Auch die Frage nach der Datensicherheit muss gestellt werden. Viele Voraussetzungen, die nicht nur Geld, sondern auch eine Strategie und Fachwissen benötigen. Hinzu kommt, dass der digitale Unterricht neue Konzepte benötigt. Diese müssen erstellt und mit Lehrinhalten gefüllt werden. Hier wird von den Lehrkräften Kreativität und Engagement verlangt.

 

Ausblick

Wer auf Länder wie Dänemark blickt, sieht schon die Schule von morgen. Jeder Schüler hat dort einen eigenen Laptop und die Lehrer verwenden im Unterricht selbstverständlich digitale Medien. Kreidetafeln sind bei unseren nördlichen Nachbarn etwas für das Museum. Stattdessen gibt der Lehrer ein Thema vor und der Klassenverband haut in die Tasten der Laptops. Die Schüler suchen bei Wikipedia, auf Nachrichten- und Wissenschaftsportalen. Der Lehrer muss ihnen keine Hilfe geben, denn der Umgang mit digitalen Medien ist den Schülern vertraut. Sie wissen, woher sie relevante Informationen bekommen.

Sie lernen in der Schule die Medienkompetenz, deren Fehlen in Deutschland so oft bedauert wird. Während es in vielen deutschen Schulen schon als Errungenschaft gilt, dass das WLAN im Computerraum funktioniert, ist in Dänemark die gesamte Schule abgedeckt. Als die Dänen begannen, gab es keinen Masterplan. Statt Bedenken zu tragen, begannen die Lehrer einfach mit dem Experiment. Wenig später wollte niemand mehr auf digitale Lehrinhalte verzichten.

Nach der internationalen Schulleistungsstudie ICILS verwenden heute 81 Prozent der dänischen Schüler im Unterricht täglich digitale Medien. In Deutschland sind es vier Prozent. Der Vorsprung ist so groß, weil unsere Nachbarn schon in den 1990ern begonnen haben, den Unterricht zu digitalisieren. Experten glauben, dass uns die Dänen etwa 20 Jahre voraus sind.

So hätten deutsche Klassenzimmer in 20 Jahren Smartboards, Beamer und schnelles WLAN in jeder Ecke der Schule. Bis zu dieser Zeit könnte Lernen noch viel spannender werden. Schulen werden mit anderen Lehreinrichtungen weltweit vernetzt sein. Die Lernenden können in internationalen Projekten kooperieren und ihre Erfahrungen austauschen.

Neue Lernmethoden werden entstehen. Über spezielle Algorithmen kennt der Lehrer den aktuellen Lernstand jedes Schülers. Er kann so die nötigen Schritte festlegen, um ein bestimmtes Lernziel zu erreichen. Der Lehrer gibt dem Lernenden die nötigen Inhalte, zum Beispiel Texte, Vorträge oder Videos. Der Schüler wendet das Gelernte selbstständig an und übt. Alles geschieht am Computer, der die Lernfortschritte registriert und dem Lehrer die Möglichkeit gibt, auf dieser Basis neue Lerninhalte festzulegen.

Die digitale Schule wird Schüler individuell fördern und so den Lernerfolg steigern. In einigen Ländern hat diese Zukunft schon begonnen.

 

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