Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat, WhatsApp, YouTube – kaum einer kommt heutzutage ohne mindestens einer dieser Apps aus. Immer auf dem neusten Stand, immer in Kontakt mit Freunden, der Familie oder gar völlig Unbekannten, nichts wird mehr verpasst und man ist immer bestens informiert. Doch hat „daueronline“ sein auch seine Schattenseiten. Oft belastet das Netz die Psyche mehr, als man es sich selbst eingestehen mag. Durch die ausgeprägte Vernetzung über das Internet entstand die Möglichkeit, immer erreichbar zu sein – und die Erwartungshaltung, dass man immer erreichbar sein muss. Auch ganz vorne mit dabei: FOMO. Fear Of Missing Out. Die Angst davor, etwas zu verpassen. Doch eine Bewegung macht jetzt Schluss mit dem Druck, den Social Media auf die eigene Psyche ausübt: Der digitale Minimalismus.

Digitaler Minimalismus – Was es ist und was nicht

Die Bewegung des digitalen Minimalismus wächst stetig. Immer mehr Menschen entscheiden sich freiwillig dazu, ihren Umgang mit digitalen Medien, dem Smartphone und sozialen Medien bewusst zu reduzieren, Dies bedeutet allerdings nicht, das Internet komplett aus dem eigenen Leben zu verbannen. Viel mehr im Fokus steht, zu lernen, bewusst mit dem Internet umzugehen und nur so viel zu konsumieren, wie nötig ist. Eine Balance zu finden zwischen digitaler und realer Welt. Viele Anhänger der Bewegung finden aus eigener Erfahrung ohne Handy und Internet als ständiger Begleiter zum Beispiel mehr Zeit für Sport, Spaziergänge und die eigenen Freunde. Oft fühlen sie sich ausgeglichener und frei.

Sind wir abhängig vom Internet?

Um digitalen Minimalismus richtig umzusetzen braucht es mehr als nur ein paar Handgriffe, meint Cal Newport, seinerseits Erfinder der Bewegung. Digitaler Minimalismus sei eine ausgeprägte Philosophie. Es sei, kurz gesagt, ein „Widerstand gegen die Aufmerksamkeitswirtschaft“. Und immer mehr Menschen schließen sich dieser Philosophie an.

Doch wie werden wir überhaupt erst abhängig von Social Media und Co.? Ein großer Faktor ist, dass viele Apps vom Hersteller so gestaltet sind, dass sie uns an die Bildschirme fesseln und wir das Bedürfnis haben, zum Beispiel ein Spiel immer und immer weiterzuspielen. Soziale Medien bedienen sich hier unserem Urinstinkt nach Gemeinschaft und Kommunikation mit anderen Menschen. So sammeln sich auf dem eignen Handy schnell immer mehr Apps an. Und die Tendenz ist steigend: Studien zeigten, dass das digitale Leben eine immer größer werdende Bedeutung für uns hat. Die durchschnittliche Zeit, die ein Deutscher pro Tag am Handy verbringt lag 2018 bei etwa 196 Minuten. Noch vor 10 Jahren war sie noch bei einem Drittel der Zeit. Darunter leidet nicht nur nachweislich das soziale Leben, sondern es hat möglicherweise auch einen deutlichen, negativen Einfluss auf unsere Psyche. Erste Studien beweisen, dass das „stalken“ anderer Menschen in sozialen Netzwerken sich deutlich negativ auf unsere Psyche auswirkt, da unter anderem das Gefühl entsteht, der andere führe das bessere Leben.

Vorteile des digitalen Minimalismus

Neben dem Vorteil, dass das „Abschalten“ mehr Zeit für Dinge wie Familie und Freunde schafft, führt eine Abstinenz vom intensiven Internet-Konsum auch zu mehr Effizienz im Job. Einzelne Unternehmen probieren sich derzeit an fixen Zeiten für das Beantworten von Mails und Nachrichten, die über soziale Medien eingegangen sind. Oft ist dafür nur etwa eine Stunde am Tag für vorgesehen, der Rest der Zeit wird mit konzentriertem Arbeiten verbracht. Berichten zufolge führte dies zu einer zunehmenden Qualität der Arbeit. Außerdem fühlen sich die Mitarbeiter viel ausgeglichener in ihrem Job.

Allgemein gilt: Ein Abstand vom Handy- und Computerbildschirm wirkt sich positiv auf unsere Produktivität und Kreativität aus. Es werden nachweislich bessere Lösungen für Probleme gefunden und auch die Kreativität nimmt zu. Wer nicht ganz auf die digitale Welt verzichten möchte, könnte es also erstmal mit gezielten Auszeiten zum Entspannen versuchen, in denen das Handy aus bleibt.

Wie digitaler Minimalismus funktioniert: Eine Anleitung

Wer es einmal für einen Monat mit dem digitalen Minimalismus probieren möchte, kann zum Beispiel die folgenden Schritte befolgen:

  1. Smartphone von „Versuchungen“ befreien: Damit der digitale Minimalismus funktioniert, sollten für einen Monat alle Apps vom Smartphone entfernt werden, die nicht zwingend nötig sind. Dies sind zum Beispiel soziale Medien oder Spiele.
  2. Die neue Zeit nutzen: Durch das Verzichten vom „Daddeln“ auf dem Handy, bleibt viel mehr Zeit übrig, als man vielleicht glaubt. Mit dieser gewonnen Zeit besteht zum Beispiel die Möglichkeit, sich an einem neuen Hobby zu versuchen. Außerdem bleibt nun Zeit, um sich mit den eigenen Freunden zu treffen.
  3. Selbstreflektierend handeln: Wann greifen wir eigentlich zum Smartphone? Welche Situationen führen dazu, dass wir das Handy benutzen wollen? Wie oft nehmen wir es in die Hand? Wer einmal beobachtet, wie oft man das Smartphone eigentlich nutzen möchte und welche Situationen dazu führen, kann daran arbeiten, das eigene Verhalten zu verändern.

 

 

Quelle: Focus 38/2019

Bildquellen: Pexels @ Pixabay, rawpixel @ Pixabay